„Continuation Funds sind ein sehr starker Trend“

Interview mit Volker Hichert, Co-Chairman und Gründer, DPE

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Die dem Private Equity-Geschäftsmodell inhärente zeitliche Befristung von Investments in Portfoliounternehmen führt seit jeher zu Exits aus Investments, deren Entwicklungs- und Wertsteigerungspotenzial noch nicht vollständig ausgeschöpft sind. Continuation Funds bieten einen Ausweg aus diesem Dilemma. Wir sprachen mit Volker Hichert, Co-Chairman und Gründer von Deutsche Private Equity (DPE).

Unternehmeredition: Herr Hichert, Continuation Funds, also Fortsetzungsfunds bestehender Funds, werden in zunehmender Anzahl von Private-Equity-Investoren aufgelegt. Stimmen Sie dem zu?

Volker Hichert: Nach den Diskussionen, die ich mit unseren Partnern führe, sind Continuation Funds, also Funds, die man aufsetzt, um einzelne Portfolioinvestments von Altfunds unter dem gleichen Management weiterzuführen,  in den letzten 18 Monaten zu einem sehr starken Trend geworden. Es handelt sich um eine relevante Innovation in der Private-Equity-Branche, die aus meiner Sicht keine Modeerscheinung ist, sondern sich dauerhaft durchsetzen wird.

Haben Sie bei DPE schon Erfahrungen mit diesem neuen Instrument gesammelt?

Wir haben bisher noch keinen Continuation Fund aufgelegt, aber wir beschäftigen uns intensiv mit dem Thema. Auch haben wir bereits bei unserem Portfolio Überlegungen angestellt, welche Firmen sich dafür besonders gut eignen würden. Wir sehen diese Innovation auf jeden Fall als sehr positiv an und sind uns sicher, dass wir das in Zukunft machen werden.

Was genau spricht dafür?

Wir haben ja schon relativ lange Laufzeiten mit in der Regel zehn plus zwei Jahren, das entspricht in etwa dem Industriestandard. Dieser Zeitraum lässt sich grob einteilen in eine fünfjährige Investitionsperiode und eine fünfjährige Desinvestitionsperiode. Dabei kommt es immer wieder vor, dass man in eine Firma drei bis vier Jahre investiert ist, deren Wertsteigerungspotenzial aber bei weitem nicht ausgeschöpft hat, die Firma sehr gut kennt und davon überzeugt ist, dass das Managementteam noch sehr viel mehr Kraft, Lust, Energie und Impact hat und sich dann trotzdem davon trennen muss.

Gab es denn bislang kein Instrument zur Lösung des Problems?

Wenn Sie jetzt 30 Jahre zurück gehen, also in die Kindertage der Private-Equity-Industrie in Europa, dann werden Sie feststellen, dass früher viele Firmen von einer Fondsgeneration in die nächste verkauft wurden. Das wurde damals schon so gehandhabt. Jedoch: Wenn Sie Menschen etwas erlauben, dann gibt es immer einen (hoffentlich kleinen) Prozentsatz, der das missbraucht, zum Beispiel über „gesteuerte“ Kaufpreise zwischen den Fondsgenerationen. So wurde beispielsweise wahnsinnig viel Carry ausgeschüttet und somit ein Großteil der Wertentwicklung vorweggenommen oder das Asset ging sogar Pleite oder andere unschöne Dinge passierten.

In so einem Fall haben sich dann die Investoren der Nachfolgegeneration gesagt, das geht so nicht. Oder andersherum: die Investoren des Vorgängerfonds haben sich beschwert, dass hier ihre Assets an die nächste Fondsgeneration verschleudert werden.

Um solchen Missbrauch zu verhindern, schufen die Limited Partner einen Marktstandard, durch den die Übertragung von Assets von einer in die nächste Fondsgeneration unter außerordentlich hohen Hürden steht und entweder eine einstimmige Zustimmung der Limited Partner in beiden Fonds erfordert oder zumindest einer sehr hohen Majoritätsanforderung unterliegt. Und selbst wenn diese Anforderungen erreicht wurden, hatte das einen schlechten Beigeschmack, sodass man es besser nicht gemacht hat, weil man in jedem Fall jemanden damit verärgerte.

Es bestand also lange Zeit die Usance, so eine Übertragung nicht vorzunehmen.

Genau, die Usance, es nicht zu tun, hat es lange Zeit gegeben und das lag eben an diesen Interessenkonflikten zwischen den verschiedenen Fondsgenerationen. Und diese Usance wird jetzt mit den Continuation Funds durch unmittelbare Adressierung der Interessenkonflikte abgeschafft. Oder man könnte auch sagen, man hat durch ein erneutes und tieferes Nachdenken über die Frage, wie man diese Finanzierungsstruktur aufstellt, einen Teil der Adressenkonflikte sauber adressiert.

Worin genau liegen die Vorteile?

Im Grunde hat ein Continuation Fund für alle Beteiligten Vorteile. Der Vorteil für die Firma ist ja offensichtlich: ein wesentlich weniger disruptiver Prozess. Dieser löst weniger Kosten aus und nimmt die Aufmerksamkeit des Managements viel weniger in Anspruch und schafft damit viel weniger Friktionen für die Firma am Markt.

Dem Fondsmanager verschafft er die Möglichkeit, mit einem Asset, das er gut kennt und dessen Risiko er viel besser einschätzen kann als bei einer Neuakquisition, weiterhin für sich und für seine Investoren Geld zu verdienen.

Die Limited Partner profitieren auch, weil sich als Usance herausgebildet hat, dass die Continuation Funds mit weniger Gebühren belastet sind, denn die Annahme dabei ist, dass die erste Kosten und damit auch Preise auslösende Tätigkeit eines Fondsmanagers, nämlich das Finden von neuen Investitionsmöglichkeiten, gar nicht stattfinden muss. Während im Midcap-Bereich ansonsten eine Standardgebühr von 2% jährlich üblich ist, reden wir hier über tendenziell weniger als die Hälfte.

Und wie unterscheiden sich Continuation Funds von einer neuen Fondsgeneration?

Die Innovation besteht darin, dass die Finanzierung nicht durch eine neue Fondsgeneration in Form eines Blind Pools stattfindet, sondern das Eigenkapital nur für eine kleine Gruppe von Assests in diesem Continuation Fund aufgesetzt wird. Die Käufer wissen also genau, was sie kaufen. Sie geben keinen Blankocheck, sondern beteiligen sich konkret an einer Gruppe von Assets (zwei oder drei Firmen aus dem Altfunds). Und der Fondsmanager präsentiert den Investoren dafür eine professionelle Markt Due Diligence.

Wie viele alte und neue Investoren finden sich im Continuation Fund zusammen?

Das ist natürlich fallweise unterschiedlich. Das nächste Prozessthema, das adressiert worden ist, um die Interessenkonflikte abzumildern, ist, dass man den Altinvestoren die Möglichkeit gibt, ihre Beteiligung friktionsfrei in den Continuation Fund hineinzurollen. Insofern müssen die Altinvestoren nicht verkaufen, sondern sie können sich die Konditionen anschauen und selbst entscheiden, ob sie weiter dabeibleiben oder zu dem Preis verkaufen wollen.

In dem alten System früher, das in Verruf geraten ist, hatten Sie einen neuen Fonds und dieser neue Fonds hat ein Angebot gemacht und der alte Fonds musste es akzeptieren oder nicht, aber die alten Investoren konnten nicht in den neuen Fonds mit hineinrollen.

Ist es denn zu erwarten, dass die Altinvestoren zufrieden mit der Option sind, an den Continuation Fund zu verkaufen? Sie könnten ja am Markt unter Umständen noch einen besseren Käufer finden, der einen höheren Preis zahlt.

Das ist eine wichtige Frage. Das ist aber vom Interessenkonflikt weitgehend dadurch entschärft, dass sie ja die Wahl haben. Wenn sie sagen der Preis ist hoch genug, können sie verkaufen. Wenn ihnen der Preis zu niedrig ist, können sie ja dabei bleiben. Um etwaigen Konflikten vorzubeugen, die daraus resultieren könnten, dass die Altinvestoren meinen, es gäbe für sie einen besseren Käufer, legt man als Fondsmanager eine sogenannte Fairness Opinion vor. Und Sie müssen darüber hinaus natürlich Überzeugungsarbeit leisten, dass der Preis, den Sie anbieten, marktgerecht ist.

Ist es schwierig, den Übergang vom Altfund zum Continuation Fund zu managen? Inwieweit entsteht hier Mehraufwand?

Ein Continuation Fund managt sich nicht von allein. Das ist eine sehr arbeitsaufwändige Geschichte, weniger für die Firma als für den General Partner. Für eine solche Transaktion muss ein sehr viel höherer Begründungs-, Darlegungs- und Rechtfertigungsaufwand betrieben werden als für einen normalen Verkauf. Und das ist auch richtig so, denn am Ende des Tages sitzen wir auf beiden Seiten des Tisches und müssen für beide Seiten sauber begründen, warum wir auf jeden Fall einen marktgerechten Preis hinbekommen haben.

Läuft die Preisbildung beim Continuation Fund somit regulierter ab als beim normalen Fundraising?

Beim normalen Fundraising gibt es ja im Grunde genommen keine Preisbildung. Sie werben einen Blind Pool ein, da gibt es ja noch keine Assets. Normales Fundraising besteht ja darin, dass Sie zu den potenziellen Investoren gehen und sagen, ich möchte in der Zukunft gerne Firmen kaufen, bitte schreib mir dafür Blankoschecks. Das ist bei einem Continuation Fund anders. Da brauchen Sie tatsächlich eine Preisbildung, weil schon feststeht, wie das Eigenkapital investiert wird. Die Assets gibt es ja, über die haben Sie ja Kontrolle. Deshalb müssen Sie sehr viel mehr Begründung in die Preisbildung stecken, als wenn sie einfach verkaufen.

Wie sehen hier die Mitspracherechte der Altinvestoren aus?

Die dürfen natürlich mitreden, weil es ja technisch immer noch der Verkauf von einer Fondsgeneration in die nächste ist, auch wenn es unter anderen Prozessmechanismen steht, und deshalb gibt es Zustimmungsnotwendigkeiten. Der Standard ist, dass Sie eine qualifizierte Mehrheit der Altinvestoren benötigen. Dafür brauchen Sie einen sauber begründeten Preis, einen sauber geführten Prozess und die Möglichkeit für die Altinvestoren, sich zu den Konditionen auch zu beteiligen.

Was ändert sich ansonsten an den Fund Terms? Wie sieht es zum Beispiel mit der Dauer aus?

Die ist entsprechend kürzer angelegt, weil die Investitionsphase wegfällt.

Wo genau liegt für Sie die Schwelle, wo Sie sagen, ich verkaufe das Unternehmen nicht, sondern ich will es selbst noch weiterführen?

Die liegt im Asset. Es ist ja kein Geheimnis, dass eine der großen Begrenzungen unserer Industrie nicht darin liegt, dass wir Geld von Investoren bekommen, sondern dass wir gute Firmen finden, in die wir dieses Geld gut investieren können. Und wenn Sie mal eine ausgezeichnete Firma mit einem hervorragenden Managementteam haben, in das sie sowohl Vertrauen setzen und mit dem Sie nachgewiesenermaßen Erfolg erzielen und keinen Grund sehen, weshalb sich das ändern sollte, dann hat es immer schon sehr weh getan zu verkaufen.

Wie kam es denn überhaupt zu dieser Innovation?

Es gibt Investitionsdruck in unserem Markt und wenn sie sehr viel Druck haben auf einem halbwegs funktionierenden Markt, dann gibt es Innovationen. Auf jeden Fall ist es eine sehr positive Innovation. Es gibt dabei keine Verlierer.

Wie endet der Continuation Fund? Läuft hier auch wieder alles auf den Exit hinaus?

Wenn Sie wollen, können Sie auch noch einen Continuation Fund II oder III ins Leben rufen. Ich wüsste nicht, was dem entgegen stehen sollte. Natürlich kommt irgendwann der Punkt, wo man entweder sagt, das Managementteam ist jetzt nicht mehr das Optimale für die Firmengröße oder es kommt der Punkt, wo wir selbst als General Partner in eine Firmengröße kommen, wo wir selbst keine Erfahrung mehr besitzen und nicht mehr wirklich etwas beitragen können. Bei DPE beispielsweise hatten die größten Firmen, die wir jemals gemanagt haben zwischen 500 Mio. und 1 Mrd. EUR Umsatz. Wenn wir jetzt plötzlich eine Firma hätten, die 5 Mrd. EUR Umsatz erwirtschaftete, würden wir wahrscheinlich sagen, dass ist jetzt nicht mehr unser Spielfeld.

Wie ist denn der Stand bei Ihren bestehenden Fonds?

Wir investieren aktuell in unsere vierte Fondsgeneration. Das ist ein Fonds von etwas über 1 Mrd. EUR (1,04 Mrd. EUR). Der Vorgängerfonds hatte 600 Mio. EUR, der davor 350 Mio. EUR und der allererste aus dem Jahr 2018 hatte 250 Mio. EUR, und insofern wachsen wir fröhlich vor uns hin.

Wir verwalten im Moment noch drei von vier Fonds. Nur der erste ist vollständig abgewickelt. Wir halten noch fünf bis sechs Portfoliofirmen aus Fonds II, zehn aus Fonds III und sechs aus Fonds IV.

Im Moment haben wir noch ausreichend Mittel aus dem vierten Fonds zu investieren. Genau vor 15 Monaten haben wir begonnen zu investieren und in diesem Zeitraum haben wir über die Hälfte der Mittel investiert. Im Moment verfügt der vierte Fonds über sechs Assets, darunter Engelmann (Wasser- und Wärmezähler), Company Bike, Sill Optics, Dare (Rückbau- und Recycling) und zwei Firmen, die noch nicht namentlich genannt werden können (eine Spezialklinik und eine Umweltconsultingfirma). Das sind alles Firmen, von denen wir glauben, dass sie von den Makrotrends unterstützt werden.

Bei Fonds IV stecken wir also noch mittendrin in der Investitionsphase. Es stehen noch ungefähr zwischen sechs und acht Plattforminvestments aus.

Und wie sieht es mit Zukäufen aus?

Pro Plattforminvestment tätigen wir zwischen drei und fünf Zusatzinvestments. Das ist ein sehr intensiver Teil unserer Arbeit und ein sehr wichtiger Baustein unserer Strategie. Wenn man die Firmen gut auswählt, dann lohnt es sich sehr zuzukaufen, weil Sie tendenziell damit bei den Firmen erheblich Wert schöpfen können.

Spielt diese Strategie auch bei den Continuation Funds eine Rolle?

Es bietet sich natürlich an, auf diese Art zu investieren und diese Firmen dann in den Continuation Fund zu überführen. Wenn Sie eine Buy-and-Build-Strategie erfolgreich einsetzen, kommen Sie irgendwann an die Eigenkapitalgrenze. Und wenn Sie aber ein gutes Managementteam haben, mit dem Sie diese Strategie begonnen haben und auch noch weiterführen können, dann ist es naturgemäß sinnvoll darüber nachzudenken, wie Sie die Eigenkapitalseite neu aufstellen.

Herr Hichert, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch.


ZUR PERSON

Foto: © DPE

Volker Hichert ist geschäftsführender Gesellschafter und Mitbegründer der DPE Deutsche Private Equity. Die DPE setzt in ihrem Portfolio auf mittelständische Unternehmen mit starker Marktpositionierung und großem Wachstumspotenzial. Der Fokus liegt auf Firmen aus der DACH-Region mit einem Unternehmenswert zwischen 20 Mio. und 200 Mio. EUR.

www.dpe.de

 

 

Dieser Beitrag erscheint in der Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2022.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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